Donnerstag, 13. Oktober 2011
Der alte Mann im Bus
Heute schreib ich mal keine Urlaubserlebnisse, sondern etwas, was ich in ein Tagebuch (Was dieser Blogg eigentlich auch sein soll) schreiben wuerde.

Heute Nachmittag hab ich mich mit Christian in Downtown getroffen. Christian ist aus Jena. Ich hab ihn am Flughafen Singapur kennengelernt.
Christian ist ein typischer Fall für mich. Er sucht viel Anschluss und kann vermutlich wenig mit sich anfangen. Eigentlich wollte ich mich gar nicht mit ihm treffen... Naja. Auf jeden Fall sind wir durch den Hafen gelaufen und haben dies ganzen Yachten und Boote begutachtet. Er hat sehr viel von sich und seinem Leben erzählt. Eigentlich hat mich das ganze gar nicht interessiert. Ich hab extra meine Arbeit am Van vorzeitig beendet. Wir gingen anschließend in ein Cafe und er erzählte von Autos und Motorrädern. Soviel dazu..
Eigentlich wollte er noch mehr Zeit mit mir verbringen, aber ich wollte nach Hause und gab vor, hungrig zu sein.

Also setzte ich mich etwas verdrossen über die "vertane" Zeit in den Bus zurück und starrte aus dem Fenster. Etwa zwei Stationen weiter stieg ein alter Mann in den Bus und setzte sich neben mich. Er fragte mich, woher ich sei und ich antwortete: "from Germany" Er erzählte mir, dass er 1962 bis 1963 in Deutschland stationiert war. Er sei in Amerika geboren. Nach seiner Zeit in der Armee ging er nach London. Dort lernte er eine Frau aus Neuseeland kennen, die er heiratete. 1971 ging er für zwei Jahre nach Australien - die Ehe hat nicht gehalten - und kam danach wieder nach Neuseeland zurück. Seitdem lebt er in Auckland.

Er fragte mich, was ich arbeite. Ich erzählte ihm, dass ich Sozialarbeiter sei und mit Menschen mit psychischer Erkrankung arbeitete.

Plötzlich sagte er zu mir:
"Du bist immer für andere da. Du sagst anderen, was sie tun sollen, damit sie sich besser fühlen, aber Du solltest das zu Dir selbst sagen - und es selbst tun. Du bist sehr zurückhaltend. Du solltest nur ein kleines bisschen offener sein. Ein kleines bisschen reicht schon aus. Du achtest immer darauf, was andere gerade brauchen. Du aber brauchst einen Freund. Einen Freund, der dir die Wahrheit ins Gesicht sagt." Ich antwortete, dass ich zu Hause solche Freunde habe. Er aber sagte:

"Nein, Du brauchst ihn hier."

"Du bist der Freund, den Du brauchst. Du musst lernen, dich selbst zu mögen und das, was Du willst auch tun. Ich antwortete, dass ich das auf meiner Reise hoffentlich lerne, aber sagte: Nein, Du wirst nicht, Du BIST auf der Reise. Jetzt ist Deine Reise. Tu es jetzt.
Du solltest Dich nicht von anderen Menschen abkapseln, sondern mit ihnen in Kontakt treten. Wenn Du Dich abkapselst, wählst Du den schwereren Weg."

Es war, als würde er mir aus der Seele sprechen. Als kenne er mich schon seit Jahren - als wäre er ich selbst. Ich sagte, dass er eine sehr gute Menschenkenntnis hat.
Er antwortete: "Ich achte nur darauf, was Du mir zeigst. Ich nehme wahr."

Er hat recht. In allen Punkten.

So trist und niedergeschlagen ich in diesen Bus einstieg, so fröhlich stieg ich aus. Ich verabschiedete mich mit einem Händedruck von dem alten Mann mit dem Regenschirm.

Das Leben bietet Dir immer, was Du gerade brauchst. Du musst es nur sehen wollen. Und Dich ein wenig öffnen.

Ein wenig reicht schon.





Es gab keinen Neuseeland-Counter ;)